Deutscher Friedensrat e.V.
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Deutscher Friedensrat gewinnt vor
dem Berliner Verwaltungsgericht -
Das Verbot von Hisbollah-Fahnen und
Nasrallah-Portraits war illegal

 

... Fortsetzung:
Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Denn es kommt ein schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) in Betracht.

Die Klage ist begründet. Die Auflage Nr. 2 im Bescheid vom 10. August 2006 war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG.

Nach § 15 Abs. 1 VersammIG kann eine Versammlung oder ein Aufzug von der zuständigen Behörde verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Veranstaltung unmittelbar gefährdet ist. Wegen der besonderen Bedeutung der grundrechtlich verbürgten Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) für die Funktionsfähigkeit der Demokratie darf ihre Ausübung nur zum Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit begrenzt werden (BVerfGE 69, 315, 348 f.). Die Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine Güterabwägung unter Berücksichtigung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist (BVerfG, a. a. O. S. 353). In diese Güterabwägung ist besonders der mit der Versammlung oder dem Aufzug intendierte Zweck einzubeziehen mit der Folge, dass die Anforderungen an versammlungsrechtliche Beschrän­kungen um so höher sind, je nachhaltiger sie sich auf die Vermittlung des Anliegens der Ver­anstalter in der Öffentlichkeit auswirken.

Staatliche Beschränkungen des Inhalts und der Form einer Meinungsäußerung betreffen den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Ihre Rechtfertigung finden sie, auch wenn die Äußerung in einer oder durch eine Versammlung erfolgt, allein in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 90, 241, 246; BVerfG, Beschluss vom 5. September 2003 -1 BvQ 32/03 -, NVwZ 2004, 90). Eine Meinungsäußerung, die sich im Rahmen des Art. 5 GG be­wegt, kann daher auch nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen herangezogen werden, die das Grundrecht des Art. 8 GG beschränken (vgl. BVerfGE 90, 241, 246).

Die Meinungsfreiheit ist für die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgeset­zes schlechthin konstituierend. Es gilt die Vermutung zugunsten freier Rede in öffentlichen Angelegenheiten (vgl. BVerfGE 7, 198, 208; st. Rspr.). Die Bürger sind grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern (BVerfG, Beschluss vom 5. September 2003, a.a.O.). Eine inhaltliche Begrenzung von Meinungsäußerungen kommt, soweit sie nicht dem Schütze der Jugend oder dem Recht der persönlichen Ehre dient, daher nur im Rahmen der allgemei­nen Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG in Betracht. Dies sind Gesetze, die sich nicht gegen die Meinungsfreiheit an sich oder gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung richten, die vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen (vgl. BVerfGE 7, 198, 209; 93, 266, 291; 97, 125, 146; st. Rspr). Dieses Rechtsgut muss in der Rechtsordnung allgemein und damit unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden kann. Soweit Rechtsnormen auslegungsbedürftig sind, darf die Auslegung nicht zur Außerachtlassung des Schutzgehalts von Art. 5 Abs. 1 GG führen. Dementsprechend hat der Gesetzgeber insbesondere in den Strafgesetzen Meinungsäußerungen nur dann beschränkt, wenn sie zugleich sonstige Rechtsgüter - etwa die Menschenwürde oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht - verletzen. Werden die entsprechenden Strafge­setze durch Meinungsäußerungen missachtet, so liegt darin zugleich eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit; eine so begründete Gefahr kann durch die Ordnungsbehörden abgewehrt werden, und zwar auch mit Auswirkungen auf Versammlungen. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt die Durchführung von Versammlungen, ermöglicht jedoch nicht Rechtsgutverletzungen, die außerhalb von Versammlungen unterbunden werden dürfen. Die in § 15 Abs. 1 Versammle enthaltene, auf den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG bezogene Ermächtigung darf andererseits aber nicht zu einer Ausweitung der in der Rechtsordnung enthaltenen Schranken des Inhalts von Meinungsäußerungen führen (BVerfGE 111, 149).

 

 

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