„Hände weg vom Iran“ –
„Frieden jetzt“
Ein Bericht über die Friedensaktivitäten
des 4. Europäischen Sozialforums in Athen
von Hannelore Tölke
Vom 4. bis 7. Mai fand in Athen das 4.
Europäische Soziaforum statt. Vier Tage lang haben mehr als
30.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen auf dem Gelände des
alten Flughafens, 15 km vor den Toren Athens, über Krieg und
Frieden, Umwelt- und soziale Fragen. Gewerkschaftsarbeit und
Bürgerbeteiligung, Bildung und Gesundheit, diskutiert und
beraten. Das europäische Sozialforum zeigte sich ebenso wie
Sozialforen in einer Stadt oder in einem Land oder das Weltsozialforum,
als Ort der Begegnung und des Austauschs. Jeder brachte etwas zum
Europäischen Sozialforum mit, Erfahrungen, Ideen und
Vorschläge, und jeder nahm von diesem Forum etwas für
seine Arbeit zu hause mit.
Für das Friedensnetzwerk war schon bei der Vorbereitung des 4.
Sozialforums klar, dass in einer Zeit, in der an vielen Orten der Erde
Kriege geführt werden und in der täglich gegen das
Völkerrecht verstoßen wird, in der die
Rüstungsausgaben stetig steigen, Besatzung und Krieg im Irak
andauern und ein Angriff gegen Iran vorbereitet wird, die Fragen von
Krieg und Frieden große Bedeutung haben werden. Die
Friedensbewegung wollte deshalb auf dem Sozialforum in Athen mit
Seminaren, Informationen und Aktionen ganz besonders in Erscheinung
treten.
Die Demonstration am Samstag wurde
dann auch zu einer Demonstration
für den Frieden. 100.000fach war in dem mehr als 7 km langen
Demonstrationszug, die Losung „Hände weg vom
Iran“ zu hören und zu lesen. Insgesamt waren mehr
als 35 Seminare und Workshops für den Themenbereich
„Krieg und Frieden“ angemeldet. Am Freitagabend
fand in Saal E204 eines der großen Friedenseminare
über den Krieg im Irak und die Rolle der Friedensbewegung
statt. Mehr als 1200 Zuhörer waren gekommen. Der Irakkrieg, so
wurde gleich zu Anfang der Veranstaltung festgestellt, habe viele
Probleme für die USA bracht und Fortschritte für die
Friedensbewegung. „Bush und Blair sind am Ende,
aber sie sind nicht besiegt“. Die Situation der USA
verschlechtere sich von Tag zu Tag, 72 % der Bevölkerung in
den USA hielten den Krieg inzwischen für ein Desaster. 350.000
Menschen hätten am letzten Aprilwochenende in den USA gegen
den Krieg demonstriert, berichtete ein Friedensfreund. Ebenso wie die
Krise im Irak vor 3 Jahren, sei die Krise im Iran künstlich
gemacht, um Krieg führen zu können. In Wirklichkeit
gehe es aber um die Kontrolle über den Nahen und Mittleren
Osten.
Kate Hudson vom CND-UK, Campaign for nuclear disarmament, aus England,
sagte, 300.000 Iraker seien seit Beginn des Krieges getötet
worden und forderte in ihrem Beitrag:“ Beendet die Besatzung
im Irak, bringt die Truppen nach Hause.“ Weiter sagte sie,
die Friedensbewegung müsse ihren entschiedenen Widerstand
gegen einen Angriff auf den Iran zeigen. Die einzige wirkliche Gefahr
gehe von den USA aus, denn sie besäßen 10000
Atomsprengköpfe und seien das einzige Land, das Atomwaffen
eingesetzt habe. Sicherheit gäbe es nur, wenn alle Atomwaffen
abgeschafft würden.
Walden Bello, einer der weltweit bekanntesten
Globalisierungskritiker, begann seine Rede mit den Worten:
„Es ist nicht die Frage ob, sondern wann die USA aus dem Irak
geworfen werden“. Der Irak sei das größte
Debakel für die USA in den letzten 10 Jahren. Die Erfolge der
Linken in Bolivien und Venezuela seien auch ein Ergebnis der
Schwäche der USA. Er sagte weiter:“ Wir brauchen
eine Friedensbewegung, die fordert: USA raus aus dem Irak! Frieden
jetzt!“ Die Friedensbewegung müsse deutlich machen,
dass sie keinen Angriff auf den Iran erlaube.
Geoffrey Millard, von den Iraq Veterans against War aus den USA,
schilderte seine Erfahrungen im Irakkrieg. In einem bewegenden
Bericht erzählte er davon, dass der Krieg nicht nur
ein Land zerstört, sondern auch bei den Besatzern
zerstörte Menschen hinterlässt. Seine Schilderung war
ein eindringlicher Appell gegen den Krieg. „Gewaltlosigkeit
beginnt bei uns“, sagte er am Ende seines Berichts.
Gute Stimmung auf der Demonstration der Hunderttausend. Auch durch
Provokateure und Tränengas ließen sich die Demonstranten
nicht beirren. Im Fernsehen wurden nur brennende Müllcontainer und
ein brennendes Auto gezeigt. Vom Ziel der Demo kam nichts rüber.
Die Medien funktionieren also wie bei uns.
Workshop über Militärstützpunkte
Bereits am Freitagnachmittag fand ein weiteres Friedenseminar statt. Im
überfüllten Raum F26 berichteten Friedensfreunde aus
Griechenland, Zypern, der Türkei, Italien und Deutschland
über die US Militärbasen in ihren Ländern.
Der Deutsche Friedensrat war eingeladen, seine Analyse über
die fremden Militärstützpunkte in Deutschland
vorzutragen (siehe
Materialien). Die
Folgen für die einheimische Bevölkerung sind
Umweltzerstörung, Fluglärm, kontaminierte
Böden. Auf Kreta wurde in der Umgebung der
US-Militärbasis eine erhöhte Krebsrate festgestellt.
Auch in Brindisi in Italien traten im Umfeld der Militärbasis
schwere Umweltschäden auf. Die Friedensbewegung in Italien
erwägt nun eine Klage gegen die Militärbasen, da die
Errichtung und der Betrieb dieser Basen gegen die italienische
Verfassung verstoßen. „Die Bewegung gegen den
Krieg in Irak hat das Bewusstsein geschaffen, das Krieg kein Mittel der
Politik sein kann. Von den Militärbasen überall in
Europa führen die USA ihren Krieg im Nahen und Mittleren
Osten.“ Deshalb müsse die Friedensbewegung die
Schließung der Militärbasen fordern, sagte ein
Friedensfreund aus Zypern.
Die Situation in Palästina war nicht nur Thema in Workshops
und Seminaren. Informationen, Diskussionen und Gespräche
wurden auch in einem eigens eingerichteten offenen Raum angeboten.
Am Samstagmorgen trafen sich rd. 40 Friedensaktivistinnen und
Friedensaktivisten aus England, Frankreich, Griechenland, der
Türkei, Spanien, Belgien, Italien, Zypern und Deutschland,
sowie Gäste aus den USA, dem Irak, Palästina und
Ägypten. Sie alle waren im Friedensnetzwerk zusammenkommen um
Forderungen und Aktionsvorschläge zu diskutieren und zu
beraten und den Beitrag des Friedensnetzwerks für die
Versammlung sozialer Bewegungen vorzubereiten.
Die Teilnehmer des Friedensnetzwerks verständigten sich auf
die Forderungen
- Abzug der Truppen aus dem Irak und aus Afghanistan,
- Schaffung einer friedlichen Lösung in Palästina,
- Kein Angriff auf den Iran,
- Verbot aller Atomwaffe,
- US- und NATO-Militärbasen schließen.
Das Netzwerk Frieden schlägt für die Zeit vom 23.-30.
September 2006 eine Aktionswoche gegen den drohenden Angriff auf den
Iran vor, außerdem schlägt es vor auch die
internationalen Gedenktage wie etwa den 6. August und den 19.
März für Aktionen zu nutzen. Den Menschen im Nahen
Osten soll durch Friedensaktivitäten in Europa gezeigt werden,
dass die Meinung der Regierungen nicht die Meinung der
Bevölkerung in Europa ist.
Am Sonntagmorgen kam die Versammlung sozialer Bewegungen zusammen um
die Ergebnisse des 4. ESF zusammenzutragen und Aktionen zu beraten. Bei
Beginn der Versammlung war der Saal
überfüllt.
Die Übersetzerinnen und Übersetzer von Babels, einem
weltweites Netzwerk, übersetzte in fast alle
europäischen Sprachen und in arabisch, damit alle, die
gekommen waren, die Möglichkeit hatten zu sprechen und an der
Beratung teilzunehmen. Chris Nineham von STWC-UK
(Stop-the-war-coaltion, England) stellte die Ergebnisse des
Friedensnetzwerks vor. Am Ende seines Beitrags verlas er die folgende
Erklärung zum drohenden Angriff auf den Iran.
Wir lehnen es ab Angriff auf den Iran zu schreien oder nach geheimen
Aktionen und Sanktionen zu rufen. Jede dieser Interventionen
wäre gegen die Charta der Vereinten Nationen. Sie
würde tausende von Toten zur Folge haben und die Region
destabilisieren.
Wir treten für das Verbot von Atomwaffen ein und gegen
Doppelmoral beim Besitz von Atomwaffen, für Frieden und
Abrüstung. Militärische Interventionen
führen zu weiterer Militarisierung und zu regionalen Kriegen.
Wir rufen alle Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen
auf, die für eine friedliche Lösung sind,
überall Proteste gegen den drohenden Angriff auf den Iran zu
organisieren.
Das 4. Europäische Sozialforum in Athen endete am 7. Mai. Noch
gibt es keinen Gastgeber für ein 5. Europäisches
Sozialforum, wohl aber eine Einladung zum Weltsozialforum in Naibrobi
im Januar 2007.