Der Deutsche Friedensrat hat viel Erfahrung in der Anmeldung und Durchführung von Demonstrationen. Es war schon immer schwierig, eine Demonstration so durchzusetzen, wie wir das wollten. Es gab immer Einschränkungen. Mit Heiligendamm aber ist ein Tiefpunkt des Demonstrationsrechtes zu verzeichnen. Dabei ist verwunderlich, dass höchstrichterliche Urteile nicht beachtet werden und der Streit nahezu unabhängig von der vorigen Rechtsprechung immer wieder von vorn losgeht.
Im letzten Jahr war der Friedensrat an mehreren Demonstrationen gegen den Krieg der Israelis gegen den Libanon beteiligt. Zusammen mit der Palästinensischen Gemeinde Berlin und der Palästinensischen Gesellschaft für Menschenrechte meldeten wir eine Demonstration für den 12. August 2006 an. Im Auflagenbescheid der Polizei wurde uns u.a. verboten Hisbollah-Fahnen und Nasrallah-Portraits zu zeigen. Die Polizei meinte, die Hisbollah sei eine Terrororganisation und die Versammlungsteilnehmer würden Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Hisbollah billigen und selber zu Verbrechen aufrufen, insbesondere der Auslöschung Israels. Dazu wurden uns auf vielen Seiten die Erkenntnisse des Geheimdienstes präsentiert. Uns war sofort klar, dass es für dieses Verbot keine Gesetzesgrundlage gibt. Im Gegenteil, in vielen Urteilen zuvor wird das Recht der freien Meinungsäußerung als maßgebend angesehen. So auch Im Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 21.3.2007. Das Zeigen der Hisbollah-Fahnen und Nasrallah-Portraits ist danach eine nicht strafbare Meinungsäußerung. Damit ist den Demonstranten weder eine Gewaltverherrlichung noch Aufruf zum Völkermord nachzuweisen. Nach unserer Meinung stiftet so ein Verbot selber Unfrieden und stört das Zusammenleben mit Mitbürgern mit arabischen Wurzeln. Die Fahnen und Portraits sind also wieder erlaubt. Es wäre auch zu absurd gewesen. müsste es doch dann eine Galerie mit verbotenen Portraits. Hitler erlaubt, Bush erlaubt, Nasrallah verboten? Hatte der Innensenattor wirklich geglaubt, mit so einem Blödsinn durchzukommen.
Der 12 km lange Zaun um Heiligendamm war illegal, denn er widerspricht dem berühmten Brokdorf-Urteil von 1985, wonach es die Herrschenden ertragen müssen, dass die Demonstranten zu sehen und zu hören sind. Attac hat das öffentlich angeprangert und wollte dagegen klagen; daraus wurde offenbar nichts.
Dazu stellt das Grundrechtekommitee auf seiner
Homepage fest: "Entgegen dieser hohen verfassungsrechtlich geschützten
Bedeutung wird das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit immer wieder
eingeschränkt. Obwohl auf das Brokdorf-Urteil des
Bundesverfassungsgerichtes häufig formal und oberflächlich Bezug
genommen wird, häufen sich die Allgemeinverfügungen. Demonstrationen
werden geradezu reihenweise verboten oder örtlich und zeitlich so
beschränkt, dass sie ihren Sinn verlieren. Die aus der Verfassung
abgeleiteten Argumente des Verfassungsgerichts werden beiseite
gewischt. Diese Missachtung von Verfassung und oberstem Gericht wird im
Namen eines vordemokratischen Rechtsstaatsverständnisses betrieben.
Häufig werden schon im Vorfeld die Informationen über die
bevorstehenden Proteste einseitig vermittelt. In den Medien wird
einseitig berichtet. Darstellungen in den Verfassungsschutzberichten
tragen zu einer verfälschten Sichtweise bei. Die Vorbereitung der
Polizei ist häufig unangemessen auf angeblich zu erwartende Gewalt
orientiert."
"Demonstrationsverbote ermöglichen einen Polizeieinsatz, der sich in
seiner Härte und Unangemessenheit auf das vorangegangene Verbot berufen
kann. Begründet werden solche Verbote mit allgemeinen und unsachgemäßen
Gefahrenvermutungen, die oft nicht im geringsten stichhaltig sind.
Beispielsweise werden gewaltfreie Aktionen Zivilen Ungehorsams als
unfriedlich eingestuft, selbst verboten und für weitere
Demonstrationsverbote als Grund herangezogen. Das Fehlen der
Legitimation eines Verbots kann häufig erst lange nachher festgestellt
werden. So wurden per Allgemeinverfügung 1995 während des ersten
Castortransport nach Gorleben Demonstrationen über einen langen
Zeitraum und weiträumig untersagt. Dies diente während der ganzen Zeit
des Protestes zur Rechtfertigung von jeglichen polizeilichen Maßnahmen
und Ingewahrsamnahmen. Erst im Frühjahr 1996 stellte das erkennende
Gericht fest, dass das damalige Demonstrationsverbot rechtswidrig war."
Als wir die Allgemeinverfügung des Landes
Mecklenburg-Vorpommern lasen, wo auch außerhalb des Zaunes 40
Quadratkilometer demonstrationsfreie Zone sein sollten, war uns klar,
dass dieses Allgemeinverfügung illegal war. Wir beauftragten "unseren"
bewährten Rechtsanwalt Eberhard Schultz und seinen Partner Claus
Förster dagegen vorzugehen. Der Deutsche Friedensrat hatte nämlich
Kundgebung für den 5.6. und den 6.6. in Weitendorf am Flughafen
Rostock-Laage angemeldet. Drei weitere Kundgebungen rund um
Rostock-Laage, nämlich in Friedrichshof, Striesdorf und Kronskamp,
hatte Tobias Pflüger (MdEP) angemeldet . Für alle vier Kundgebungsorte
wurde Eberhard Schultz als Rechtsanwalt tätig und riefen das
Verwaltungsgericht an.
Daraufhin beschloss das Verwaltungsgericht Schwerin am 29. Mai 2007 die
Aufhebung des Demonstrationsverbotes um den Militärflughafen
Rostock-Laage. Die vier angemeldeten Kundgebungen in Laage-Kronskamp,
Weitendorf, Strießdorf und Friedrichshof hätten danach stattfinden
können. Jedoch legte das Land Mecklenburg-Vorpommern Einspruch ein und
der Fall ging vor das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald. Die
Beschlüsse des OVG vom 1. und 4.6. bestimmten: Anstelle der vor der
militärischen Haupteinfahrt in Laage-Kronskamp angemeldeten Kundgebung
ist nur eine Kundgebung mit maximal 50 Teilnehmern auf der
Straßenböschung gegenüber der Einfahrt zur Hauptwache des Fliegerhorsts
Laage sowie eine Kundgebung an der jenseits der B 103 gelegenen
Buswendeschleife erlaubt, also weit abgelegen und völlig außer
Sichtweite des Flughafens.
Am 04.06.2007 legte der Deutsche Friedensrat im
Eilverfahren Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des
Oberverwaltungsgerichts Greifswald vom 1.6.und vom 4.6. ein.
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Sache nicht
eilbedürftig sei, weil den Anmeldern kein Nachteil entstünde (sehr
merkwürdige Auffassung vom Demonstrationsrecht!) Damit blieb es beim
Urteil des OVG.
Unsere Kundgebung am 5.6. in Weitendorf fand statt und verlief
friedlich. Jedoch konnten durch umfangreiche Straßensperren der Polizei
mit stundenlangen Kontrollen die meisten Demonstranten nicht zu den
Kundgebungen gelangen. Alle Fahrgäste eines dänischen Reisebusses
wurden festgenommen und in die Gefangenensammelstellen gebracht.
Trotz der ausdrücklichen Festlegung im Protokoll des OVG, wonach die
»Sichtbarkeit der Veranstaltung nicht durch Polizeifahrzeuge oder
andere polizeilichen Maßnahmen behindert wird", waren zwei riesige
Polizei-LKW auf der Parkstraße Richtung Flughafen so aufgestellt, dass
die Sicht vom und zum Flughafen versperrt wurde. Auf die Intervention
von RA Schultz bei der Einsatzleitung vor Ort und mehrfacher Anmahnung
verblieb diese rechtswidrige Behinderung bis lange der nach Ankunft und
Abtransport von Präsident Bush mit dem Hubschrauber bestehen.